BND-Chef vor
BND-Untersuchungsausschuß: Erzählt viel, sagt nichts. Von den
CIA-Entführungen erfuhr die Bundesregierung angeblich aus der Zeitung.
Von Jörn Boewe, jW 14. März 2008
Die
meisten Zeugen vor diesem Ausschuß wollen nicht viel verraten, aber
irgendwie verraten sie dann doch etwas. Bei einem ist interessant, zu
welchen Fragen er schweigt, beim anderen ein Nebensatz, der ihm
versehentlich entweicht, beim dritten der Moment, wenn die
Ministerialbürokraten Hecker und Hofmann von ihren Sitzen springen und
mit einer »Aussagegenehmigung« fuchteln, die – ginge es in diesem
Ausschuß mit rechten Dingen zu – Aussageuntersagung heißen müßte.
Bei
Ernst Uhrlau ist es die Syntax. »Die Bundesrepublik Deutschland ist –
insbesondere was die Öffentlichkeit angeht – für irgendwelche
rechtswidrigen Aktionen kein sicherer Partner«, ist einer seiner
klareren Sätze. Der Grünen-Abgeordnete Hans-Christian Ströbele hatte
gefragt, ob die deutsche Bundesregierung nach dem 11. September 2001 in
die CIA-Entführungen von Terrorverdächtigen involviert war. Weil
Ströbele findet, daß das »keine Antwort auf meine Frage« ist, fragt er
noch mal. Neue Antwort: »Das schließe ich mit meinen Kenntnissen aus.«
Eine
Mauer des Schweigens ist es nicht, wohinter sich der Präsident des
Bundesnachrichtendienstes verschanzt. Der ehemalige
Geheimdienstkoordinator im Bundeskanzleramt bevorzugt
Passivkonstruktionen, Sätze, in denen keine Subjekte vorkommen. Schwer
zu sagen, wer die Verantwortung trägt, wenn »Maßnahmen getroffen worden«
sind. Bemerkenswert auch Uhrlaus Vorliebe für substantivierte Verben
(»Die Aussetzung der konsularischen Betreuung kann für mich Sinn gemacht
haben, weil eine Fortsetzung eher ein Akt der Verunsicherung gewesen
wäre.«) und groteske Wortschöpfungen: Als die Bundesregierung im Juni
2002 aus der Zeitung erfuhr, daß der deutsche Staatsbürger Mohammed
Haydar Zammar in Syrien im Folterknast saß, herrschte im Kanzleramt eine
»Empörungslage«.
Viel ist am Donnerstag vor dem
BND-Untersuchungsausschuß von Uhrlau nicht zu erfahren, doch auf eines
legt er Wert: »Ich stehe dem Ausschuß als Zeuge zur Verfügung, aber
nicht als Auskunftsperson«. Es ist nicht ganz klar, was das bedeuten
soll, aber man ahnt schon, was gemeint ist. Uhrlau antwortet
weitschweifig, verschachtelt Nebensätze, bläst sinnlose Aussagen
(»derartige Anhaltspunkte wurden nicht gezogen«) zu einem semantischen
Airbag auf, hinter dem ihm keiner mehr etwas anhaben kann.
Und so
vergeht die Zeit. Ein Großteil der Energie in diesem Ausschuß wird auf
den Kampf um die Zeit verwendet. Die Fragezeit wird den Fraktionen je
nach ihrer Größe zugeteilt – »Berliner Stunde« nennt sich das Verfahren:
Wo Grüne, Linke und FDP je sieben Minuten fragen dürfen, stehen CDU und
SPD je 19 zu. Der SPD-Abgeordnete Michael Hartmann weiß die Zeit zu
nutzen: »Kann man sagen, daß Sie sich durchaus für das Wohl des
Gefangenen eingesetzt haben« – das ist so eine typische Hartmann-Frage.
Es folgt ein Uhrlau-Monolog. Dann wieder Hartmann: »Sie haben die Frage
zwar schon beantwortet, aber ich stelle Sie Ihnen noch mal.« Die
Vernehmung des Hauptzeugen der gestrigen Ausschußsitzung, des ehemaligen
Kanzleramtschefs und jetzigen Außenministers Frank-Walter Steinmeier
hatte bei Redaktionsschluß noch nicht begonnen.