Wie der deutsche Auslandsgeheimdienst jahrelang systematisch alle
Hinweise auf Gefangenenflüge der CIA ignorierte. Ex-BND-Chef vor
Bundestagsuntersuchungsausschuß
Von Jörn Boewe, jW 27. Juni 2008
Aufklärung
in der Sache gab es am Donnerstag vorm BND-Untersuchungsausschuß des
Bundestages, wie so oft, wenig. Aber wer sich für Strategien
professioneller Vertuschung interessiert, war auf der Besuchertribüne
gut aufgehoben. Geklärt werden sollte, wann und wie die Chefs der großen
deutschen Geheimdienste nach dem 11. September 2001 von illegalen
Verschleppungen mutmaßlicher Terroristen (»extraordinary renditions«)
durch die CIA und mögliche Gefangenentransporte über deutsches
Territorium erfuhren.
Die Antwort: Sie erfuhren’s, wie
wir alle, Anfang 2005 aus der Zeitung. So versicherten es Heinz Fromm,
seit 2000 Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz und August
Hannings, 1998 bis Dezember 2005 Chef des Bundesnachrichtendienstes, und
kein Oppositionsabgeordneter kann ihnen bislang das Gegenteil beweisen.
Aber
selbst ausgebuffte Profis kompromittieren sich im Zeugenstand manchmal
selbst, und sei’s durch Kleinigkeiten. Wenn Fromm z. B. sagt: »Ich kann
mich nicht erinnern, und wenn man sich nicht erinnern kann, kann man
auch nichts ausschließen. Das liegt ja in der Natur der Sache«, muß man
einfach hellhörig werden. Natürlich ist damit nichts bewiesen, außer daß
Deutschlands oberster Verfassungsschützer ein echter Pfiffikus ist.
Hanning
dagegen ist viel weniger subtil. Der Ex-BND-Chef stellt eine geradezu
penetrante Arglosigkeit zur Schau. »Wir haben uns nie veranlaßt gesehen,
amerikanische Praktiken im Antiterrorkampf einer Bewertung zu
unterziehen«, sagt er mit Unschuldsmiene, oder: »Ich glaube, daß wir
allen Grund haben, ihnen (den US-Amerikanern – die Red.) zu vertrauen,
weil wir ihnen auch viel zu verdanken haben.«
Wie
sein Kollege vom Inlandsgeheimdienst hatte auch der
Auslandsgeheimdienstchef vor 2005 keinen Schimmer von
CIA-Gefangenenflügen, die womöglich auch über deutsche
US-Militärflughäfen abgewickelt wurden. Eines aber weiß Hanning ganz
sicher – es wird nicht wieder vorkommen. Condoleezza Rice hat’s
versprochen, und: »Ich habe eigentlich keinen Grund, an Zusicherungen
der amerikanischen Außenministerin zu zweifeln.«
Daß es bereits
Ende 2001/Anfang 2002 detaillierte Presseberichte über »renditions« u.
a. in der Washington Post gab, ficht weder Fromm noch Hanning an.
Dienste haben anderes zu tun, als immer nur Zeitung zu lesen.
Außerdem
waren beide nicht zuständig: Fromms Verfassungsschutz nicht, weil der
sich nicht um ausländische Angelegenheiten scheren darf. Hannings BND
nicht, weil bei Gefangenenflügen »die für Luftsicherheit zuständigen
Behörden gefordert« sind, für Rechtsverstöße die Staatsanwaltschaft,
»für Verstöße gegen das NATO-Truppenstatut das Auswärtige Amt«.
Letzteres, und wahrscheinlich nur dieses, ist laut Hanning zuständig,
wenn Menschenrechtsverstöße ruchbar werden, denn in diesem Hause ist der
Menschenrechtsbeauftragte der Bundesregierung angesiedelt. »Die
Zuständigkeiten sind doch klar geregelt ...«, freut sich Hanning – »
...aber niemand wird beauftragt, die nötigen Informationen einzuholen«,
resümiert der FDP-Abgeordnete Max Stadler, dem außer Kopfschütteln dazu
auch nichts mehr einfällt.
Eins stellt Hanning,
mittlerweile Staatssekretär im Innenministerium, aber noch klar: Das
Mädchen schielt nicht, die soll so gucken. »Der Bundesnachrichtendienst
überwacht nicht den engsten Verbündeten der Bundesrepublik Deutschland.«
Anderenfalls käme man ganz schnell »an eine rote Linie«.