26. Juni 2008

Hannings Einfalt

Wie der deutsche Auslandsgeheimdienst jahrelang systematisch alle Hinweise auf Gefangenenflüge der CIA ignorierte. Ex-BND-Chef vor Bundestagsuntersuchungsausschuß

Von Jörn Boewe, jW 27. Juni 2008


Aufklärung in der Sache gab es am Donnerstag vorm BND-Untersuchungsausschuß des Bundestages, wie so oft, wenig. Aber wer sich für Strategien professioneller Vertuschung interessiert, war auf der Besuchertribüne gut aufgehoben. Geklärt werden sollte, wann und wie die Chefs der großen deutschen Geheimdienste nach dem 11. September 2001 von illegalen Verschleppungen mutmaßlicher Terroristen (»extraordinary renditions«) durch die CIA und mögliche Gefangenentransporte über deutsches Territorium erfuhren.

Die Antwort: Sie erfuhren’s, wie wir alle, Anfang 2005 aus der Zeitung. So versicherten es Heinz Fromm, seit 2000 Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz und August Hannings, 1998 bis Dezember 2005 Chef des Bundesnachrichtendienstes, und kein Oppositionsabgeordneter kann ihnen bislang das Gegenteil beweisen.

Aber selbst ausgebuffte Profis kompromittieren sich im Zeugenstand manchmal selbst, und sei’s durch Kleinigkeiten. Wenn Fromm z. B. sagt: »Ich kann mich nicht erinnern, und wenn man sich nicht erinnern kann, kann man auch nichts ausschließen. Das liegt ja in der Natur der Sache«, muß man einfach hellhörig werden. Natürlich ist damit nichts bewiesen, außer daß Deutschlands oberster Verfassungsschützer ein echter Pfiffikus ist.

Hanning dagegen ist viel weniger subtil. Der Ex-BND-Chef stellt eine geradezu penetrante Arglosigkeit zur Schau. »Wir haben uns nie veranlaßt gesehen, amerikanische Praktiken im Antiterrorkampf einer Bewertung zu unterziehen«, sagt er mit Unschuldsmiene, oder: »Ich glaube, daß wir allen Grund haben, ihnen (den US-Amerikanern – die Red.) zu vertrauen, weil wir ihnen auch viel zu verdanken haben.«



Wie sein Kollege vom Inlandsgeheimdienst hatte auch der Auslandsgeheimdienstchef vor 2005 keinen Schimmer von CIA-Gefangenenflügen, die womöglich auch über deutsche US-Militärflughäfen abgewickelt wurden. Eines aber weiß Hanning ganz sicher – es wird nicht wieder vorkommen. Condoleezza Rice hat’s versprochen, und: »Ich habe eigentlich keinen Grund, an Zusicherungen der amerikanischen Außenministerin zu zweifeln.«
Daß es bereits Ende 2001/Anfang 2002 detaillierte Presseberichte über »renditions« u. a. in der Washington Post gab, ficht weder Fromm noch Hanning an. Dienste haben anderes zu tun, als immer nur Zeitung zu lesen.

Außerdem waren beide nicht zuständig: Fromms Verfassungsschutz nicht, weil der sich nicht um ausländische Angelegenheiten scheren darf. Hannings BND nicht, weil bei Gefangenenflügen »die für Luftsicherheit zuständigen Behörden gefordert« sind, für Rechtsverstöße die Staatsanwaltschaft, »für Verstöße gegen das NATO-Truppenstatut das Auswärtige Amt«. Letzteres, und wahrscheinlich nur dieses, ist laut Hanning zuständig, wenn Menschenrechtsverstöße ruchbar werden, denn in diesem Hause ist der Menschenrechtsbeauftragte der Bundesregierung angesiedelt. »Die Zuständigkeiten sind doch klar geregelt ...«, freut sich Hanning – » ...aber niemand wird beauftragt, die nötigen Informationen einzuholen«, resümiert der FDP-Abgeordnete Max Stadler, dem außer Kopfschütteln dazu auch nichts mehr einfällt.

Eins stellt Hanning, mittlerweile Staatssekretär im Innenministerium, aber noch klar: Das Mädchen schielt nicht, die soll so gucken. »Der Bundesnachrichtendienst überwacht nicht den engsten Verbündeten der Bundesrepublik Deutschland.« Anderenfalls käme man ganz schnell »an eine rote Linie«.