Wir sehen zuerst, was wir sehen wollen. Dann hören wir, was wir
hören wollen. Dann folgt sehr lange nichts. Und dann, irgendwann,
kommt die Wahrheit. So ähnlich sagt es ein FBI-Beamter in Tom
Tykwers Polit- und Bankenthriller The
International von 2009. Überhaupt enthält der Film dank
Drehbuchautor Eric
Warren Singer einige grandiose Dialoge. Über unsere
Wahrnehmungsstörungen bei der Suche nach der Wahrheit stolpere ich
in diesen Tagen öfters. Bereiten große Teile der Massenmedien einen
Krieg vor? Ein Kollege und guter Freund, einer der hellsten Köpfe
und besten politischen Analytiker, die ich kenne, sagt nein. Ich
reibe mir die Augen. Offenbar sitzen wir jeder in einem anderen Film.
Weder Deutschland, noch die USA, weder Nato noch EU haben
Interesse an einem militärischen Konflikt mit Russland, sagt mein
Freund. Offenbar ist "Krieg" für ihn nicht unterhalb eines
thermonuklearen Konflikt mit Interkontinentalraketen und nuklearem
Overkill denkbar. So gesehen mag mein Freund recht haben. Hoffe ich
wenigstens.
Leider ist ihm entgangen, dass das deutsche
Verteidigungsministerium - unter, sagen wir mal: eigenwilliger
Auslegung eines OSZE-Dokuments - bereits deutsche Militärberater in
die Ukraine geschickt hat, was nur aufflog, weil sie sich von
Rebellen haben erwischen lassen. Auch wenn man sie uns zunächst als
"OSZE-Beobachter" und später - noch irrer - als
"Diplomaten" unterjubeln wollte: Es ist klar, dass sie dort
waren, um die Lage in der Ostukraine auszukundschaften, Stellungen
der Rebellen zu rekognoszieren - nun, kurzum, die Regierung in Kiew
im Bürgerkrieg zu unterstützen. "Wir" sind also bereits
Kriegspartei. Man kann das natürlich auch anders sehen. Gar nicht
zum Beispiel.