Ein Experiment: Die Google-News-Suche ergibt zum Schlagwort
"Reichspogromnacht" 370 Treffer aus Deutschland, 92 Ergebnisse zu
"Erinnerungskultur", aber nur sieben zu "Herschel Grynszpan". Darunter
vier Tageszeitungen (nur eine überregionale), den Bayrischen Rundfunk,
ein "Online-Presseportal" und das jüdische Onlinemagazin haGalil.
Das Ganze zeigt, wie ritualisiert die "Erinnerungskultur" ist, die an Tagen wie diesem in Deutschland beschworen wird.
Der
17jährige Grynszpan hatte am 7. November 1938 in Paris mit einem
Revolver auf den deutschen Botschaftssekretär Ernst vom Rath geschossen,
wie er später gegenüber der französischen Polizei aussagte, um seine
von der Gestapo misshandelten Eltern zu rächen. Am 8. war die Geschichte
auf den Titelseiten aller deutschen Zeitungen, am 9. starb Rath an
seinen Schussverletzungen. Das Attentat wurde vom NS-Propagandaminister
Joseph Goebbels benutzt, um die Welle die "Volkszorns" zu inszenieren,
die Historiker später die Novemberpogrome nannten.
Eine sehr
lehrreiche Geschichte über das Zusammenspiel von Massenmedien, einem
sadistischen Mob und der geschickten Instrumentalisierung
emotionalisierender Ereignisse durch eine skrupellose politische
Führung.
Aber die neue deutsche "Erinnerungskultur" will nicht,
dass wir uns an so etwas Konkretes erinnern. Wir sollen nur eines
Jahrestages gedenken, bestimmte einstudierte Gesten ausführen, ein
betroffenes Gesicht machen, die Stimme senken usw. Die
"Reichspogromnacht" wird zu einer singulären bösen Tat "der
Nationalsozialisten", unerklärlich, ohne historischen Kontext und also
auch ohne Bezug zu der Gegenwart, in der wir leben.
http://www.hagalil.com/archiv/2010/11/09/9-november-2/