30. Januar 2013

Erster Schritt auf schwierigem Gelände ...

... ist der Titel einer Reportage von Johannes Schulten und mir in der neuen Metallzeitung (S. 10/11). Es geht um die Gründung eines Betriebsrates in einer kleinen Zulieferfabrik der Solarbranche in der Uckermark in Nordostbrandenburg, der Gegend mit der höchsten Arbeitslosigkeit in der Bundesrepublik Deutschland.


Ich freue mich, mal wieder etwas für die IG Metall zu machen. Ohne daß ich dieser Organisation angehöre, gibt es doch eine  Kontinuität, die sich durch die letzten anderthalb Jahrzehnte zieht: Sie beginnt spätestens im Jahr 2000, als ich auf Seminaren der IG-Metall-Jugend über Rassismus, Neofaschismus und die obskure Rolle von Verfassungsschutzspitzeln im militanten Rechtsextremismus referierte. Einer der bewegendsten Momente war, als ich vor ziemlich genau zehn Jahren mit dem phantastischen Kameramann René Dame von Diesel&Dünger und dem großartigen Cutter Lucian Busse eine kleine, leider fragmentarisch gebliebene Filmdokumentation über den Versuch der Metallarbeitergewerkschaft drehte,  die 35-Stunden-Woche in Ostdeutschland durchzusetzen. Und Namen wie Samsung, Opel, Francotyp Postalia, Volkswerft Stralsund, First Solar, EKO Stahl, Repower ziehen sich durch die Zeitungsspalten, die ich in den letzten 20 Jahren vollgeschrieben habe.Na ja, und irgendwie paßt es ja auch ganz gut, daß die Wissenschaftsstiftung der IG Metall, die Otto-Brenner-Stiftung, Schulten und mir im vergangenen Herbst ein Recherchestipendium vermacht hat.


Es gibt aber noch eine andere Geschichte. Sie klingt vielleicht ein bißchen weit hergeholt, aber sie ist es nicht. Die Männer in unserer Familie haben immer Maschinen gebaut. Das geht mindestens drei Generationen zurück. Wir waren schon IG Metall, als die noch Deutscher Metallarbeiter-Verband hieß. Ich bin der erste seit dem Bau der Niederschlesisch-Märkischen Eisenbahn, der mal was anderes ausprobiert. Es hatte sicher auch damit zu tun, daß Vater der erste war, der die Möglichkeit hatte zu studieren - Maschinenbauingenieur, was sonst. Für Großvater und Urgroßvater war mit dem Meister Schluß, das war damals eben so. Die Klassenschranken waren noch robust. Aus Gußeisen, sozusagen. Heute sind sie wahrscheinlich aus atmungsaktiver und hochelastischer Multifunktionsmikrofaser.


Wir haben 'ne Menge gebaut in hundertfünfzig Jahren, aber viel Reichtum für uns haben wir nicht anhäufen können. Wenn wir keinen finden, der uns unsere Geschicklichkeit abkauft, wissen wir nicht, wie wir nächsten Monat unsere Rechnungen bezahlen sollen. Und doch haben wir etwas gelernt. Wir sind ins Theater gegangen, wir haben studiert, wir lesen Bücher, und manchmal schreiben wir sogar welche. Wir haben Bewußtsein. Da kann man sich zwar nichts für kaufen, aber man kann uns auch nicht mehr so leicht für dumm verkaufen.  Es war ein langer Weg, und wir wissen, daß man uns nichts geschenkt hat. Auch wenn uns immer noch ab und an irgendein hergelaufener Parteisekretär das Gegenteil weismachen will.