17. Oktober 2008

Erst leugnen, dann herunterspielen

Steinmeier, die Staatsräson und die "Bagdad-Affäre" des BND 

Von Jörn Boewe, analyse & kritik - Nr. 532 / 17. Okt.2008

"Wir haben eine weiße Weste. Auf Bagdad ist keine Bombe aufgrund von Meldungen gefallen, die von deutscher Seite an die USA geflossen sind." So kommentierte der SPD-Abgeordnete Michael Hartmann nach der Sitzung des BND-Untersuchungsausschusses am 25. September die Befragung mehrerer BND-Mitarbeiter zu den Aktivitäten des deutschen Auslandsgeheimdienstes während des Irak-Kriegs 2003. Der BND habe keinerlei Unterstützung für die "taktisch-operative Kriegsführung" der USA geleistet. Bereits im Vorfeld der Zeugenvernehmung hatte Hartmann behauptet, es gebe in den Akten "keine Belege", dass die beiden BND-Agenten aus Bagdad für die Kriegsführung "relevante Informationen" an die Amerikaner weitergegeben hätten.


Dass der Abgeordnete aus Mainz-Wackernheim in der Lage ist zu beurteilen, was für die USA militärisch relevant oder irrelevant war, glaubt keiner, der einmal dabei war, wenn Hartmann den Mund aufmacht. Hartmanns Job ist es, seinem Parteifreund, dem jetzigen Außenminister und damaligen Kanzleramtschef und Geheimdienstkoordinator Frank-Walter Steinmeier, Flankenschutz zu geben, und er tut dies, da er sonst nichts zu bieten hat, mit Fleiß und Ausdauer.

26. Juni 2008

Hannings Einfalt

Wie der deutsche Auslandsgeheimdienst jahrelang systematisch alle Hinweise auf Gefangenenflüge der CIA ignorierte. Ex-BND-Chef vor Bundestagsuntersuchungsausschuß

Von Jörn Boewe, jW 27. Juni 2008


Aufklärung in der Sache gab es am Donnerstag vorm BND-Untersuchungsausschuß des Bundestages, wie so oft, wenig. Aber wer sich für Strategien professioneller Vertuschung interessiert, war auf der Besuchertribüne gut aufgehoben. Geklärt werden sollte, wann und wie die Chefs der großen deutschen Geheimdienste nach dem 11. September 2001 von illegalen Verschleppungen mutmaßlicher Terroristen (»extraordinary renditions«) durch die CIA und mögliche Gefangenentransporte über deutsches Territorium erfuhren.

Die Antwort: Sie erfuhren’s, wie wir alle, Anfang 2005 aus der Zeitung. So versicherten es Heinz Fromm, seit 2000 Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz und August Hannings, 1998 bis Dezember 2005 Chef des Bundesnachrichtendienstes, und kein Oppositionsabgeordneter kann ihnen bislang das Gegenteil beweisen.

Aber selbst ausgebuffte Profis kompromittieren sich im Zeugenstand manchmal selbst, und sei’s durch Kleinigkeiten. Wenn Fromm z. B. sagt: »Ich kann mich nicht erinnern, und wenn man sich nicht erinnern kann, kann man auch nichts ausschließen. Das liegt ja in der Natur der Sache«, muß man einfach hellhörig werden. Natürlich ist damit nichts bewiesen, außer daß Deutschlands oberster Verfassungsschützer ein echter Pfiffikus ist.

Hanning dagegen ist viel weniger subtil. Der Ex-BND-Chef stellt eine geradezu penetrante Arglosigkeit zur Schau. »Wir haben uns nie veranlaßt gesehen, amerikanische Praktiken im Antiterrorkampf einer Bewertung zu unterziehen«, sagt er mit Unschuldsmiene, oder: »Ich glaube, daß wir allen Grund haben, ihnen (den US-Amerikanern – die Red.) zu vertrauen, weil wir ihnen auch viel zu verdanken haben.«



Wie sein Kollege vom Inlandsgeheimdienst hatte auch der Auslandsgeheimdienstchef vor 2005 keinen Schimmer von CIA-Gefangenenflügen, die womöglich auch über deutsche US-Militärflughäfen abgewickelt wurden. Eines aber weiß Hanning ganz sicher – es wird nicht wieder vorkommen. Condoleezza Rice hat’s versprochen, und: »Ich habe eigentlich keinen Grund, an Zusicherungen der amerikanischen Außenministerin zu zweifeln.«
Daß es bereits Ende 2001/Anfang 2002 detaillierte Presseberichte über »renditions« u. a. in der Washington Post gab, ficht weder Fromm noch Hanning an. Dienste haben anderes zu tun, als immer nur Zeitung zu lesen.

Außerdem waren beide nicht zuständig: Fromms Verfassungsschutz nicht, weil der sich nicht um ausländische Angelegenheiten scheren darf. Hannings BND nicht, weil bei Gefangenenflügen »die für Luftsicherheit zuständigen Behörden gefordert« sind, für Rechtsverstöße die Staatsanwaltschaft, »für Verstöße gegen das NATO-Truppenstatut das Auswärtige Amt«. Letzteres, und wahrscheinlich nur dieses, ist laut Hanning zuständig, wenn Menschenrechtsverstöße ruchbar werden, denn in diesem Hause ist der Menschenrechtsbeauftragte der Bundesregierung angesiedelt. »Die Zuständigkeiten sind doch klar geregelt ...«, freut sich Hanning – » ...aber niemand wird beauftragt, die nötigen Informationen einzuholen«, resümiert der FDP-Abgeordnete Max Stadler, dem außer Kopfschütteln dazu auch nichts mehr einfällt.

Eins stellt Hanning, mittlerweile Staatssekretär im Innenministerium, aber noch klar: Das Mädchen schielt nicht, die soll so gucken. »Der Bundesnachrichtendienst überwacht nicht den engsten Verbündeten der Bundesrepublik Deutschland.« Anderenfalls käme man ganz schnell »an eine rote Linie«.

5. Mai 2008

Eberswalde - Wandlitz. Mit dem Rad durch den Barnim. 30. April 2008

Der Job bei einer Tageszeitung bringt es mit sich, daß man ziemlich oft an Sonn- und Feiertagen arbeiten muß, aber am Tag davor hat der Redakteur grundsätzlich frei.

In diesem Jahr hatte sich, dem sehr milden Winter zum Trotz (dem zweiten praktisch frostfreien in Folge) der Frühling sehr spät eingestellt. Wir hatten einen echten Frühlingstag am 28. März, dem Tag, als ich von meiner Elbsandsteintour nach Berlin und Britta und Tim Oskar aus Stuttgart zurückkehrten. Aber danach blieb es die nächsten drei Wochen ziemlich kühl und unbehaglich.

Gegen Monatsende erst sah es etwas freundlicher aus, und da am Internationalen Kampftag der Arbeiterklasse keine Zeitung erscheint, nicht mal ein offiziell anerkannt traditionskommunistisches Blatt wie die junge Welt, und der 30. April für den Rest der Welt - also auch für den evangelischen Kindergarten von Tim Oskar - ein ganz normaler Werktag war, konnte ich machen, was ich wollte.

Ich packte also Proviant, Kamera, Notizbuch, Regenjacke, Sonnenbrille, GPS-Empfänger und die ADFC-Karte »Berlin und Umgebung« (1: 75.000) in meine Fahrradtasche, brachte T. O. um 8.30 in seine Kita und fuhr zum Ostbahnhof.

28. März 2008

Im Elbsandstein wandern, März 2008

Es ist keine schlechte Idee, über Ostern ans Mittelmeer zu flüchten, wo die Luft noch kalt, aber die Sonne schon warm ist, doch in diesem Jahr hatte ich etwas besseres vor.

13. März 2008

Uhrlaus Airbag

BND-Chef vor BND-Untersuchungsausschuß: Erzählt viel, sagt nichts. Von den CIA-Entführungen erfuhr die Bundesregierung angeblich aus der Zeitung.
Von Jörn Boewe, jW 14. März 2008

Die meisten Zeugen vor diesem Ausschuß wollen nicht viel verraten, aber irgendwie verraten sie dann doch etwas. Bei einem ist interessant, zu welchen Fragen er schweigt, beim anderen ein Nebensatz, der ihm versehentlich entweicht, beim dritten der Moment, wenn die Ministerialbürokraten Hecker und Hofmann von ihren Sitzen springen und mit einer »Aussagegenehmigung« fuchteln, die – ginge es in diesem Ausschuß mit rechten Dingen zu – Aussageuntersagung heißen müßte.
Bei Ernst Uhrlau ist es die Syntax. »Die Bundesrepublik Deutschland ist – insbesondere was die Öffentlichkeit angeht – für irgendwelche rechtswidrigen Aktionen kein sicherer Partner«, ist einer seiner klareren Sätze. Der Grünen-Abgeordnete Hans-Christian Ströbele hatte gefragt, ob die deutsche Bundesregierung nach dem 11. September 2001 in die CIA-Entführungen von Terrorverdächtigen involviert war. Weil Ströbele findet, daß das »keine Antwort auf meine Frage« ist, fragt er noch mal. Neue Antwort: »Das schließe ich mit meinen Kenntnissen aus.«
Eine Mauer des Schweigens ist es nicht, wohinter sich der Präsident des Bundesnachrichtendienstes verschanzt. Der ehemalige Geheimdienstkoordinator im Bundeskanzleramt bevorzugt Passivkonstruktionen, Sätze, in denen keine Subjekte vorkommen. Schwer zu sagen, wer die Verantwortung trägt, wenn »Maßnahmen getroffen worden« sind. Bemerkenswert auch Uhrlaus Vorliebe für substantivierte Verben (»Die Aussetzung der konsularischen Betreuung kann für mich Sinn gemacht haben, weil eine Fortsetzung eher ein Akt der Verunsicherung gewesen wäre.«) und groteske Wortschöpfungen: Als die Bundesregierung im Juni 2002 aus der Zeitung erfuhr, daß der deutsche Staatsbürger Mohammed Haydar Zammar in Syrien im Folterknast saß, herrschte im Kanzleramt eine »Empörungslage«.
Viel ist am Donnerstag vor dem BND-Untersuchungsausschuß von Uhrlau nicht zu erfahren, doch auf eines legt er Wert: »Ich stehe dem Ausschuß als Zeuge zur Verfügung, aber nicht als Auskunftsperson«. Es ist nicht ganz klar, was das bedeuten soll, aber man ahnt schon, was gemeint ist. Uhrlau antwortet weitschweifig, verschachtelt Nebensätze, bläst sinnlose Aussagen (»derartige Anhaltspunkte wurden nicht gezogen«) zu einem semantischen Airbag auf, hinter dem ihm keiner mehr etwas anhaben kann.
Und so vergeht die Zeit. Ein Großteil der Energie in diesem Ausschuß wird auf den Kampf um die Zeit verwendet. Die Fragezeit wird den Fraktionen je nach ihrer Größe zugeteilt – »Berliner Stunde« nennt sich das Verfahren: Wo Grüne, Linke und FDP je sieben Minuten fragen dürfen, stehen CDU und SPD je 19 zu. Der SPD-Abgeordnete Michael Hartmann weiß die Zeit zu nutzen: »Kann man sagen, daß Sie sich durchaus für das Wohl des Gefangenen eingesetzt haben« – das ist so eine typische Hartmann-Frage. Es folgt ein Uhrlau-Monolog. Dann wieder Hartmann: »Sie haben die Frage zwar schon beantwortet, aber ich stelle Sie Ihnen noch mal.« Die Vernehmung des Hauptzeugen der gestrigen Ausschußsitzung, des ehemaligen Kanzleramtschefs und jetzigen Außenministers Frank-Walter Steinmeier hatte bei Redaktionsschluß noch nicht begonnen.