13. März 2008

Uhrlaus Airbag

BND-Chef vor BND-Untersuchungsausschuß: Erzählt viel, sagt nichts. Von den CIA-Entführungen erfuhr die Bundesregierung angeblich aus der Zeitung.
Von Jörn Boewe, jW 14. März 2008

Die meisten Zeugen vor diesem Ausschuß wollen nicht viel verraten, aber irgendwie verraten sie dann doch etwas. Bei einem ist interessant, zu welchen Fragen er schweigt, beim anderen ein Nebensatz, der ihm versehentlich entweicht, beim dritten der Moment, wenn die Ministerialbürokraten Hecker und Hofmann von ihren Sitzen springen und mit einer »Aussagegenehmigung« fuchteln, die – ginge es in diesem Ausschuß mit rechten Dingen zu – Aussageuntersagung heißen müßte.
Bei Ernst Uhrlau ist es die Syntax. »Die Bundesrepublik Deutschland ist – insbesondere was die Öffentlichkeit angeht – für irgendwelche rechtswidrigen Aktionen kein sicherer Partner«, ist einer seiner klareren Sätze. Der Grünen-Abgeordnete Hans-Christian Ströbele hatte gefragt, ob die deutsche Bundesregierung nach dem 11. September 2001 in die CIA-Entführungen von Terrorverdächtigen involviert war. Weil Ströbele findet, daß das »keine Antwort auf meine Frage« ist, fragt er noch mal. Neue Antwort: »Das schließe ich mit meinen Kenntnissen aus.«
Eine Mauer des Schweigens ist es nicht, wohinter sich der Präsident des Bundesnachrichtendienstes verschanzt. Der ehemalige Geheimdienstkoordinator im Bundeskanzleramt bevorzugt Passivkonstruktionen, Sätze, in denen keine Subjekte vorkommen. Schwer zu sagen, wer die Verantwortung trägt, wenn »Maßnahmen getroffen worden« sind. Bemerkenswert auch Uhrlaus Vorliebe für substantivierte Verben (»Die Aussetzung der konsularischen Betreuung kann für mich Sinn gemacht haben, weil eine Fortsetzung eher ein Akt der Verunsicherung gewesen wäre.«) und groteske Wortschöpfungen: Als die Bundesregierung im Juni 2002 aus der Zeitung erfuhr, daß der deutsche Staatsbürger Mohammed Haydar Zammar in Syrien im Folterknast saß, herrschte im Kanzleramt eine »Empörungslage«.
Viel ist am Donnerstag vor dem BND-Untersuchungsausschuß von Uhrlau nicht zu erfahren, doch auf eines legt er Wert: »Ich stehe dem Ausschuß als Zeuge zur Verfügung, aber nicht als Auskunftsperson«. Es ist nicht ganz klar, was das bedeuten soll, aber man ahnt schon, was gemeint ist. Uhrlau antwortet weitschweifig, verschachtelt Nebensätze, bläst sinnlose Aussagen (»derartige Anhaltspunkte wurden nicht gezogen«) zu einem semantischen Airbag auf, hinter dem ihm keiner mehr etwas anhaben kann.
Und so vergeht die Zeit. Ein Großteil der Energie in diesem Ausschuß wird auf den Kampf um die Zeit verwendet. Die Fragezeit wird den Fraktionen je nach ihrer Größe zugeteilt – »Berliner Stunde« nennt sich das Verfahren: Wo Grüne, Linke und FDP je sieben Minuten fragen dürfen, stehen CDU und SPD je 19 zu. Der SPD-Abgeordnete Michael Hartmann weiß die Zeit zu nutzen: »Kann man sagen, daß Sie sich durchaus für das Wohl des Gefangenen eingesetzt haben« – das ist so eine typische Hartmann-Frage. Es folgt ein Uhrlau-Monolog. Dann wieder Hartmann: »Sie haben die Frage zwar schon beantwortet, aber ich stelle Sie Ihnen noch mal.« Die Vernehmung des Hauptzeugen der gestrigen Ausschußsitzung, des ehemaligen Kanzleramtschefs und jetzigen Außenministers Frank-Walter Steinmeier hatte bei Redaktionsschluß noch nicht begonnen.

30. November 2007

Nerja, Andalucía, Nov. 2007. El olvido, campo de la memoria

Der November 2007 war ein besonders grauer Monat, aber durch geschickte Ausnutzung des deutschen Arbeitsrechts gelang es mir, mich für eine Woche nach Andalusien abzuseilen.

Ich bestieg am 25. November im Morgengrauen die Maschine nach Palma. Es schneite, irgendein Ventil einer Hilfsturbine des Airbus A-320 fror ein, und dann dauerte es anderthalb Stunden, bis die Tragflächen enteist waren. Auf Mallorca verpaßte ich meinen Anschlußflug.

14. August 2005

Zur Pressekonferenz des Wirtschaftsenators schicken die Radiosender der Hauptstadt drei halbwüchsige Mädels,

die, anstatt Fragen zu stellen, dem Senator lediglich ihre Mikrofone unter die Nase halten und Sachen sagen wie: "Das mit den Arbeitslosenzahlen hätte ich aber gern nochmal ein bisschen knackiger ..." Wolf tut mir leid, denn "knackig" ist etwas, was er nun wirklich nicht kann.

Der klassische Journalismus wird im Prozess der Modernisierung praktisch aus den Massenmedien verdrängt. Beim Fotojournalismus ist dies schon lange so (der Niedergang des Magazins "Life", 1972 eingestellt, 1978 wieder gestartet, 2000 erneut eingestellt, 2004 dann das endgültige Aus).

Aber so wie sich die Fotoreportage ihre eigenen Wege jenseits der Massenmedien gesucht hat, tut dies auch die geschriebene Reportage, die Nachrichtenstory, das Interview usw.

1. März 2004

Die Andalusien-Expedition, Dezember 2003

Ich wollte meine paar Tage Resturlaub nicht verfallen lassen, also musste ich noch mal los.

Im November hatte ich den Plan gefasst und meine Reise in Gedanken begonnen. Auf dem Weg zur Arbeit ging ich bei Th. Mischkes Geographischer Buchhandlung Atlantis an der Weberwiese vorbei und kaufte mir das Andalucía Guidebook von Lonely Planet.

17. Dezember 2002

Die baskische Revolution in Santa Pola, Juni 2002

Santa Pola ist ein sympathisches Städtchen, mit kleinen Straßencafés, die z. B. “Bar El Mediterraneo” heißen und nicht auf chic getrimmt sind. Die Stadt leistet sich ein Aquarium, in dem Schildkröten, Haie und andere Meerestiere herumschwimmen und einen invaliden Wärter, der die ganze Zeit den Gesang der Buckelwale oder Café del Mar laufen lässt.

30. Oktober 2002

Mazedonisches Tagebuch

28. Dezember 2001 Der Busbahnhof in Stuttgart, wenn er auch Zentraler Omnibusbahnhof heißt, ist in Wahrheit ein einziger Jugo-Busbahnhof. Wir erwischen einen Bus voller Albaner, alle aus demselben Dorf (Struga am Ohrid-See). Offiziell ist es ein Bus der Deutschen Touring GmbH, einer Tochter der Deutschen Bahn AG, aber in Wahrheit gehört er dem Busfahrer, der ebenfalls aus Struga stammt und bei Touring als Subunternehmer unter Vertrag steht. Laut Fahrplan fährt der Bus von Stuttgart nach Skopje, aber wir zwei sind die einzigen Passagiere, die nach Skopje wollen, alle anderen fahren nach Struga. Nach 24 Stunden ohne Pause setzt uns der Fahrer an einer Ausfallstraße von Skopje ab und fährt weiter Richtung Süden.

4. August 2002

Depression im Business

Habe meine Matrosenhose eingepackt & mich
an die Ostsee abgesetzt,
salvar vidas.
Möwen, Brackwasser, Muschelkalk.
Big Sky!