Von Jörn Boewe, junge Welt, 30. April 2013
»Zweimal bin ich als parteiloser Kandidat für die Partei Die Linke angetreten«, sagt Neskovic. Er sitzt in seinem Büro, Unter den Linden 50, immer noch auf demselben Flur wie seine ehemaligen Fraktionskollegen. »Ein drittes Mal werde ich dies nicht tun.« Wer meint, daß hier jemand seinen Rückzug aus der Politik einläutet, liegt falsch. Das Gegenteil ist der Fall: Wolfgang Neskovic will es noch mal wissen. Im Herbst wird er im Wahlkreis Cottbus-Spree-Neiße als unabhängiger Kandidat zur Bundestagswahl antreten.
Bis 2040 raus aus der Braunkohle: Wolfgang Neskovic vor dem Kraftwerk Jänschwalde des schwedischen Vattenfall-Konzerns |
Im Dezember hatte der 64jährige die Bundestagsfraktion verlassen, um »endlich wieder frei atmen« zu können, wie er damals an die Bürger in seinem Wahlkreis schrieb. An den politischen Zielen der Linken habe es nicht gelegen, betont er. »Diese Inhalte teile ich ganz überwiegend und werde mich auch weiterhin dafür einsetzen.«
Der ehemalige Bundesrichter hatte Ärger mit dem Funktionärsapparat der Brandenburger Linken bekommen, weil er die seit Ende 2009 in Potsdam gemeinsam mit der SPD regierende Partei wiederholt öffentlich an ihre Wahlversprechen erinnert hatte. »Keine neuen Braunkohletagebaue, kein Personalabbau im öffentlichen Dienst und in der Daseinsvorsorge«, sagt er. »Für mich war das verbindlich.« Als die Spitze der Brandenburger Linken begann, davon abzurücken, habe er sich dagegen gewehrt. Gegen die Pläne der Landesregierung, die Brandenburgische Technische Universität in Cottbus und die Fachhochschule Lausitz aus Kostengründen zusammenzulegen, unterstützt er ein Volksbegehren, das noch bis Oktober läuft.
Und er bekommt Rückendeckung, aus ganz unterschiedlichen Ecken. »Ich kann nicht verstehen, warum Funktionäre der institutionalisierten brandenburgischen Linken so locker auf so viel Kompetenz verzichten wollen«, wundert sich Gerd-Rüdiger Hoffmann, Landtagsabgeordneter aus Senftenberg im Gespräch mit jW. Hoffmann ist unabhängig wie Neskovic, wenn auch aus andern Gründen. 2009 hatte er die Linksfraktion verlassen müssen, nachdem bekannt geworden war, daß er seine Kooperation mit der DDR-Staatssicherheit verschwiegen hatte. »Ich unterstütze die Kandidatur von Nescovic«, sagt er. Mitglieder der Partei Die Linke sollten das »unverkrampft ebenfalls tun«, so sein Rat. Schließlich könnten sie »mit der Erststimme für Wolfgang Neskovic einen Linken wählen« und mit der Zweitstimme dann auch noch ihre eigene Partei. Deren Kandidatin Birgit Wöllert ist über die Landesliste abgesichert.
Und tatsächlich unterstützen etliche Linksparteimitglieder den unabhängigen Kandidaten. Einer von ihnen ist Rainer Vogel. Der sitzt für Die Linke im Kreistag Oberspreewald-Lausitz und betont, daß er sich »rein persönlich und nicht als Parteipolitiker« für Neskovic einsetze. »Neskovic ist jemand, der klar Position bezieht, es wäre auch ein Zeichen gegen die Politikverdrossenheit, wenn er in den Bundestag einzieht.«
Ein eher untypischer Unterstützer ist Hermann Graf von Pückler. Sein Urgroßonkel ist der Landschaftsgestalter und Weltenbummler Fürst von Pückler-Muskau, der im 18. Jahrhundert u.a. den berühmten Schloßpark in Cottbus-Branitz schuf. »Uns verbindet der Widerstand gegen neue Braunkohletagebaue«, sagt Pückler auf jW-Nachfrage. Früher war er im Waffengeschäft, heute betreibt er bei Cottbus Forstwirtschaft und weiß, was die durch den Bergbau verursachte Grundwasserabsenkung für die Umwelt bedeutet. Genau wie die Linksparteimitglieder muß er bei seinem Einsatz für Neskovic ein bißchen diplomatisch vorgehen, denn Pückler kommt aus München und ist CSU-Mitglied. »Über Wirtschaftspolitik haben wir sicher unterschiedliche Meinungen«, sagt er. »Aber Neskovic ist für mich der einzige Kandidat, der ganz klar kein Lobbyist von Vattenfall ist.«
Und so hat sich ein kleiner, aber aktiver Kreis von Menschen zusammengefunden, die den Wahlkampf des ehemaligen Bundesrichters organisieren. »Leute aus der Linken, von Piraten, von ATTAC und Nichtwähler sind dabei«, sagt Neskovic. Nein, er halte seinen Einzug in den Bundestag keineswegs für sicher, aber immerhin für möglich. »Es gibt jetzt und hier die Möglichkeit, das Parteiendiktat zu brechen«, sagt er. Noch nie, seit 1949, hat es ein unabhängiger Kandidat ins Parlament geschafft. »Die Lausitz«, sagt er, »kann Geschichte schreiben.«