Als ich acht Jahre alt war, schenkten mir meine Eltern eine Gitarre. Eine werkstattneue klassische Konzertgitarre aus dem VEB Musikinstrumentenbau Markneukirchen im Vogtland. Sie war damals, also 1975, nicht ganz so einfach zu bekommen, aber jedenfalls musste man nicht jahrelang darauf warten, wie auf einen Trabant.
Ich spielte ein gutes Vierteljahrhundert darauf. Irgendwann drängten sich andere Gitarren in den Vordergrund, eine wunderbare japanische Takamine-Westerngitarre, mit schmalem Korpus und gewölbter Decke wie eine Jazzgitarre, verschiedene seelenlose Stratocaster(-Nachbauten). Die klassische Gitarre aus dem Vogtland führte ein Schattendasein und Anfang des Jahrtausends behandelte sie ein Groundhandling-Arbeiter auf einem spanischen Flughafen so grob, dass sie trotz ihres Koffers einen bleibenden Schaden erlitt. Ausgerechnet in Spanien, dem Mutterland der Gitarre.
Ich spielte weiter auf elektrischen und Westerngitarren, aber irgendwie fehlte mir die klassische, spanische Gitarre, mit ihrem warmen Klang und den bequemen Nylonsaiten, die sich fast von selber spielen.
Als ich in diesem Jahr alle Weihnachtsgeschenke zusammen hatte, ging ich los und kaufte mir mein eigenes Geschenk - eine Yamaha NTX 700, ein wunderschönes Instrument, ganz nach meinem Geschmack: Schmaler Hals, Decke aus europäischer Fichte, deren Klangeigenschaften sich im Laufe der Zeit erst so richtig entfalten, Cutaway am Korpus, der ein bequemes Spiel auch in hohen Lagen erlaubt. Und sie sieht wunderbar aus mit ihrer Sunburst-Lackierung. Eine spanische Gitarre aus Japan.
Wie ich sagte, sie klingt schon gut, aber sie wird noch viel besser werden. Und ich werde hoffentlich auch noch besser werden. Aber als ich sie in die Hand nahm, fuhr es mir durch den Kopf: Wie konntest du es nur solange aushalten in diesem Dumpfbacken-Vaterland, ohne spanische Gitarre?