Piepenbrock-Arbeiter im Erzwingungsstreik. Beschäftigte von
Wartungsfirma am Stahlwerk Arcelor kämpfen gegen Abkoppelung von
Tarifentwicklung
Von Jörn Boewe, Eisenhüttenstadt / junge Welt, 16. Mai 2012
»Jetzt
geht’s darum, wer am stursten ist«, sagt einer. Es ist der vierte
Streiktag bei Piepenbrock Instandhaltung in Eisenhüttenstadt. In
»Hütte«, sagen die Einheimischen. Zwei Dutzend Männer und eine Frau
drängen sich im Sportlerheim, unweit des Stahlwerks von Arcelor-Mittal,
vormals Eisenhüttenkombinat Ost, später EKO Stahl. Hier hat die IG BAU
ihr Streiklokal eingerichtet. Gewerkschaftssekretär Hivzi Kalayci steht
am Grill und dreht Bratwürste. Die Piepenbrock GmbH & Co. KG
unterhält hier eine Niederlassung mit 62 Beschäftigten, die für die
Wartung von Krananlagen, Inudstriebahn, Hebebühnen, Aufzügen usw. bei
Arcelor zuständig sind
Vor
zwanzig Jahren waren sie noch Teil des Stahlwerks. Sie fielen auch
unter den Stahltarifvertrag. Um Geld zu sparen, wurde der
Instandhaltungsbereich damals ausgegliedert – und von der
Tarifentwicklung der Stahlindustrie abgekoppelt. »Wir haben in den
zwanzig Jahren gegenüber unseren Kollegen bei EKO fünfundzwanzig- bis
dreißigtausend Euro Minus gemacht.« Ein Facharbeiter bekommt bei
Piepenbrock in Eisenhüttenstadt 9,91 Euro die Stunde.
»Auch
die haben wir uns erkämpft«, erzählt ein Arbeiter. Vor zwei Jahren
legten sie schon einmal kurzzeitig die Arbeit nieder. In einer
Urabstimmung gab es eine klare Mehrheit für einen unbefristeten
Ausstand. Bevor es dazu kam, lenkte Piepenbrock ein und bot zweimal drei
Prozent über zwei Jahre. Die zwei Jahre sind jetzt vorbei. Ende 2011
lief der Entgelttarifvertrag aus. Piepenbrock bot zwei Prozent für 2012.
Zu wenig, finden die Arbeiter.
Gut zwei Drittel von
ihnen sind in der Gewerkschaft. Weil Piepenbrock sein Hauptgeschäft in
der Gebäudereinigung macht, ist die IG BAU zuständig. »Wir wollen einen
Euro mehr für jeden«, sagt Streikleiter Mathias Kalusniak. Einen Euro
auf einen Stundenlohn von knapp zehn Euro sind gute zehn Prozent. Das
ist in Zeiten, wo die IG Metall für 6,5 Prozent streikt, eine kühne
Forderung. Umso mehr für eine Gewerkschaft, die nicht annähernd soviel
Durchsetzungsmacht hat wie die der Metaller. Es ist allen klar, daß sich
die »Maximalforderung« kaum auf einen Schlag durchsetzen lassen wird.
Aber fünfzig Cent in diesem und fünfzig Anfang des nächsten – das müsse
schon drin sein, sagt Kalusniak, und die Leute sehen das auch so. 94
Prozent stimmten am Freitag für unbefristeten Streik. Unmittelbar
danach, ab 13.30 Uhr, legten die Beschäftigten die Arbeit nieder. Am
Wochenende ging es weiter, Streik im Dreischichtsystem. »Hundert Prozent
haben sich beteiligt«, sagt Kalusniak. Auch Beschäftigte, die nicht in
der Gewerkschaft sind, erschienen nicht bei der Arbeit – entweder
meldeten sie sich krank oder nahmen Urlaub.
Für den
Stahlproduzenten könnte der Streik beim Wartungsdienstleister heikel
werden – wenn es zu Defekten rund um einen der Hochöfen kommt. Einen
Vorgeschmack gab es schon am Freitag, als ein Kran ausfiel. Zwar gelang
es Arcelor, die Anlage durch einen eigenen Elektriker nach 45 Minuten
wieder in Gang zu setzen. Dennoch sei man in der Geschäftsführung des
Stahlwerks »in heller Aufregung« gewesen, heißt es.
Ein
neues Angebot hat Piepenbrock noch nicht geschickt. Statt dessen
schickt er Streikbrecher. Das 1913 als Fensterputzbetrieb gegründete
Unternehmen beschäftigt heute bundesweit rund 25 000 Mitarbeiter, der
größte Teil nach wie vor in der Gebäudereinigung und artverwandten
Dienstleistungen, die neudeutsch »facility management« heißen. In
bescheidenem Maße betreibt Piepenbrock auch industrielle Wartung. So
versucht die Firma seit Montag, Techniker aus anderen Niederlassungen zu
schicken, um die streikbedingten Wartungsausfälle einigermaßen zu
überbrücken. Weil Eisenhüttenstadt aber eine »große Nummer« ist, wie es
hier heißt, ist das Unternehmen offenbar nicht in der Lage, dies
ausschließlich mit eigenen Kräften zu realisieren, und gezwungen, auch
Fremdfirmen zu beauftragen. »Wir haben mit denen Gespräche geführt«,
sagt ein Arbeiter. »Schließlich sind das auch nur arme Schweine, die von
Piepenbrock unter Druck gesetzt werden.« Viel gebracht habe das frelich
nicht, fügt er hinzu.
Dann ist Manöverkritik im
Streiklokal. Man einigt sich darauf, den Arbeitskampf ab Mittwoch bis
auf weiteres auszusetzen. »Beim nächsten Mal können wir noch
überraschender zuschlagen«, sagt ein Gewerkschafter. »Wir können
jederzeit die Arbeit liegenlassen. Dann kann er sich nicht mehr darauf
vorbereiten, so wie diesmal, wo er durch unsere Urabstimmung gewarnt
war.« Die Leute nicken, man ist sich einig. »Diesmal wird ernst«, sagt
IG-BAU-Mann Kalayci. »Das ist kein Warnstreik mehr.«