28. Dezember 2011

El descubrimiento

Nach fast fünfzehn Jahren ist mir dieser Tage meine Diplomarbeit von 1997 wieder in die Hände gefallen: "Der Aufstand von Chiapas und seine Auswirkungen auf die politische Krise Mexikos". Es war einer der ersten Versuche überhaupt, dieses Ereignis, das ja erst drei Jahre zuvor begonnen hatte und noch immer nicht abgeschlossen war, zu untersuchen.

Man merkt dem Text an, dass ich Unmengen von Literatur gewälzt hatte (was bei solchen Arbeiten normal ist), aber auch, dass ich selbst mittendrin oder zumindest nah dran war, an den Entwicklungen, über die ich schrieb (was nicht normal ist und verschiedene Risiken birgt, auch dort, wo weniger scharf geschossen wird). Was mir mit dem Abstand von anderthalb Jahrzehnten auffällt, ist das Bemühen, praktische Anschauung und theoretische Reflexion in jedem Moment zu verbinden.

In einem anderen Land: Mein Schreibtisch in der Calle Malintzin 24, Coyoacán, Mexico D. F., 1994

20. Oktober 2011

Das Detlev-Buck-Bataillon und andere Maulhelden


Von Kratzeburg nach Fürstenberg: Mit dem Kajak durch die Havelquellseen, Juni 2011




 

 I

Ich habe ein Boot, das in einen Rucksack paßt. Kein Witz. Über verschlungene Wege kam es im Frühsommer vergangenen Jahres zu mir. Nachdem ich es im Juni 2010 auf den Tegeler Gewässern getestet hatte, beschloß ich, bei nächster Gelegenheit zu einer mehrtägigen Expedition aufzubrechen.
Ich mußte ein Jahr auf die Gelegenheit warten. Ich hatte es mir einfacher vorgestellt: Im Winter, als die Abende lang waren, träumte ich von einer Tagestour auf dem Tegeler Fließ. Sobald im März das Eis aufbrechen würde, aber noch ehe das Befahrungsverbot zum Frühjahrsbeginn in Kraft trat, würde ich mit meinem Boot früh in den ersten Bus nach Lübars steigen, und dann durch die nebelverhangenen Wiesen an Wildschweinen und Rehen vorbei zum Tegeler See paddeln.

Die Sache ließ sich nicht realisieren. Ich hatte übersehen, daß das Tegeler Fließ bereits seit 2009 ganzjährig auch für Paddelboote gesperrt war, und das Frühjahr hindurch erlaubte mir die Arbeit nicht, mich für eine mehrtägige Tour abzuseilen.

Anfang Juni, kurz vor Pfingsten war es dann aber soweit. Ich hatte alles eingepackt und hoffentlich nichts vergessen. Bis auf das zusammensteckbare Doppelpaddel hatte ich alles in und an meinem 17 Jahre alten Karrimor-Rucksack verstaut. Ich fuhr mit der Regionalbahn über Neustrelitz nach Kratzeburg, der nördlichsten Einsetzstelle am Oberlauf der Havel.

28. September 2011

Mit harten Bandagen

Brandenburg: Frankiermaschinenhersteller FP entläßt 111 Mitarbeiter und blockiert Sozialplan. IG Metall protestiert, Wirtschaftsminister legt Förderantrag auf Eis 

Von Jörn Boewe, junge Welt, 29. Sept. 2011

Birkenwerder liegt drei Kilometer nordwestlich von Berlin, zwischen Mühlenbecker Land und Havel. 20er-Jahre-Bauhaus-Charme, 90er-Jahre-Vorort-Tristesse. Es gibt eine Gemeindebibliothek in der Villa der KPD-Mitbegründerin und Reichstagsalterspräsidentin Clara Zetkin und Wohnparks mit glasierten Ziegeln, bonbonfarben. Dazwischen, als Hoffnungsschimmer aus der Vergangenheit, eine Erich-Mühsam-Straße.

Wirtschaft im engeren Sinn findet hier kaum statt. Aber seit ein paar Jahren wird mit harten Bandagen gekämpft. Francotyp Postalia (FP), Deutschlands führender Frankiermaschinenhersteller, produziert hier mit 380 Leuten. Produzierte, muß man sagen. Denn 111 Beschäftigte, darunter sämtliche Produktionsarbeiter, erhielten Ende August ihre Kündigung. 160 Kilometer weiter Richtung Hamburg, in Wittenberge, wird die Fertigung neu aufgebaut. Einziger Grund: Tarifflucht. FP will die Löhne um bis zu 40 Prozent absenken und den Leiharbeitereinsatz um 40 Prozent erhöhen.

31. Januar 2011

Scheindebatte mit Milchschaum

Linksparteichefin Gesine Lötzsch und DIW-Ökonom Karl Brenke diskutieren über »Fachkräftemangel«

Von Jörn Boewe, junge Welt, 1. Feb. 2011

Wenn ein Unternehmen, das andere »Unternehmen bei der sozialverträglichen und verantwortungsvollen Durchführung von Stellenabbau« unterstützt, eine »Arbeitsmarktdebatte« mit Linksparteichefin Gesine Lötzsch und dem Gesamtmetall-Chefökonom Michael Stahl veranstalten will, könnte das vielleicht ganz interessant werden.Wird es aber nicht. Man ahnt es, wenn man den Titel liest: »Fachkräftemangel – Drama oder Chance?« Partei­vorsitzende Lötzsch äußert sich, wie wir wissen, auch gern mal zu eher abseitigen Themen.