»Seit Anfang 1990 waren wir in ziemlich unerfreuliche Entwicklungen
hineingerutscht. Sämtliche `89er Hoffnungen auf eine
freiheitlich-sozialistische Entwicklung hatten sich erledigt. Ich
erinnere mich, wie wir um den Jahreswechsel 1989/90 die Rostocker Lange
Straße entlangliefen – ein paar hundert Leute mit einer schwarzen
VL-Fahne mit rotem Stern. Die Hafenarbeiter waren an uns – die
»Initiative Vereinigte Linke« - mit der Bitte herangetreten, sie bei der
Bildung eines Hafenrates zu unterstützen. Das war ein
Hoffnungsschimmer: Die Revolution war noch lebendig. Das Management
wollte nur einen »Beirat« ohne Entscheidungskompetenz akzeptieren. Die
Belegschaft fühlte sich zu recht verarscht. Wir rieten ihr, nichts zu
unterschreiben. Wir waren alle ein bißchen skeptisch. Aber wir würden
tun, was in unserer Macht lag, die Öffentlichkeit mobilisieren, die
Manöver der Funktionäre aufdecken, die Universität revolutionieren. Die
Stasi aushebeln. Das Steuer herumreißen. Studenten und Arbeiter
gemeinsam. Die freie Kommune Rostock. Mit den Packern vom Überseehafen.
Das Tor zur Welt.
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"Sie wissen, wie es gemacht wird. Aber was für Arschlöcher sind manche" (Mexico City 1994) |
Unsere Schwierigkeiten, die Öffentlichkeit
zu mobilisieren, wurden von Tag zu Tag größer. Rostocks Pastor Joachim
»Jochen« Gauck hatte mehr Erfolg als wir. Eine der ersten politischen
Aktionen des Mannes, der zunächst als Schirmherr der Rostocker
»Donnerstagsdemos« bekannt wurde und später einer Bundesbehörde seinen
Namen lieh, hatte im Herbst 1989 darin bestanden, die
»Böhlener Plattform für eine vereinigte Linke«
vom schwarzen Brett seiner Kirche abzureißen. Für solche wie uns hatten
die gerade erkämpften demokratischen Freiheiten nicht zu gelten. Wir
ließen uns das nicht bieten, aber von Woche zu Woche wurde klarer, daß
wir immer mehr in die Defensive gerieten. Vielleicht hatte Jochen Gauck
mehr Charisma als wir. Auf jeden Fall hatten seine Freunde mehr
Westgeld.«
Jörn Boewe, in:
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das war doch nicht unsere Alternative: DDR-Oppositionelle zehn Jahre
nach der Wende, hrsg. von Bernd Gehrke und Wolfgang Rüddenklau, Verlag
Westfälisches Dampfboot, Münster 1999