Der Wechsel vom Winter zum Frühjahr ist die richtige Zeit für eine Tour durch die Sächsische Schweiz
Von Jörn Boewe, junge Welt, Reisebeilage, 29. Feb. 2012
Es ist keine schlechte Idee, über Ostern ans Mittelmeer zu flüchten, wo die Luft noch kalt, aber die Sonne schon warm ist. Doch in diesem Jahr hatte ich etwas besseres vor. Ich zog die Wanderstiefel an und stieg in den Eurocity Richtung Budapest. Man reist angenehm mit diesem Zug, er ist bequem wie ein alter Interregio, aber nicht overdesigned wie ein ICE. Nach knapp drei Stunden stieg ich in Bad Schandau aus.
29. Februar 2012
23. Februar 2012
Von wegen Bürgerrechtler: Gaucks Freiheit
»Seit Anfang 1990 waren wir in ziemlich unerfreuliche Entwicklungen
hineingerutscht. Sämtliche `89er Hoffnungen auf eine
freiheitlich-sozialistische Entwicklung hatten sich erledigt. Ich
erinnere mich, wie wir um den Jahreswechsel 1989/90 die Rostocker Lange
Straße entlangliefen – ein paar hundert Leute mit einer schwarzen
VL-Fahne mit rotem Stern. Die Hafenarbeiter waren an uns – die
»Initiative Vereinigte Linke« - mit der Bitte herangetreten, sie bei der
Bildung eines Hafenrates zu unterstützen. Das war ein
Hoffnungsschimmer: Die Revolution war noch lebendig. Das Management
wollte nur einen »Beirat« ohne Entscheidungskompetenz akzeptieren. Die
Belegschaft fühlte sich zu recht verarscht. Wir rieten ihr, nichts zu
unterschreiben. Wir waren alle ein bißchen skeptisch. Aber wir würden
tun, was in unserer Macht lag, die Öffentlichkeit mobilisieren, die
Manöver der Funktionäre aufdecken, die Universität revolutionieren. Die
Stasi aushebeln. Das Steuer herumreißen. Studenten und Arbeiter
gemeinsam. Die freie Kommune Rostock. Mit den Packern vom Überseehafen.
Das Tor zur Welt.
Unsere Schwierigkeiten, die Öffentlichkeit zu mobilisieren, wurden von Tag zu Tag größer. Rostocks Pastor Joachim »Jochen« Gauck hatte mehr Erfolg als wir. Eine der ersten politischen Aktionen des Mannes, der zunächst als Schirmherr der Rostocker »Donnerstagsdemos« bekannt wurde und später einer Bundesbehörde seinen Namen lieh, hatte im Herbst 1989 darin bestanden, die »Böhlener Plattform für eine vereinigte Linke« vom schwarzen Brett seiner Kirche abzureißen. Für solche wie uns hatten die gerade erkämpften demokratischen Freiheiten nicht zu gelten. Wir ließen uns das nicht bieten, aber von Woche zu Woche wurde klarer, daß wir immer mehr in die Defensive gerieten. Vielleicht hatte Jochen Gauck mehr Charisma als wir. Auf jeden Fall hatten seine Freunde mehr Westgeld.«
Jörn Boewe, in: ... das war doch nicht unsere Alternative: DDR-Oppositionelle zehn Jahre nach der Wende, hrsg. von Bernd Gehrke und Wolfgang Rüddenklau, Verlag Westfälisches Dampfboot, Münster 1999
"Sie wissen, wie es gemacht wird. Aber was für Arschlöcher sind manche" (Mexico City 1994) |
Unsere Schwierigkeiten, die Öffentlichkeit zu mobilisieren, wurden von Tag zu Tag größer. Rostocks Pastor Joachim »Jochen« Gauck hatte mehr Erfolg als wir. Eine der ersten politischen Aktionen des Mannes, der zunächst als Schirmherr der Rostocker »Donnerstagsdemos« bekannt wurde und später einer Bundesbehörde seinen Namen lieh, hatte im Herbst 1989 darin bestanden, die »Böhlener Plattform für eine vereinigte Linke« vom schwarzen Brett seiner Kirche abzureißen. Für solche wie uns hatten die gerade erkämpften demokratischen Freiheiten nicht zu gelten. Wir ließen uns das nicht bieten, aber von Woche zu Woche wurde klarer, daß wir immer mehr in die Defensive gerieten. Vielleicht hatte Jochen Gauck mehr Charisma als wir. Auf jeden Fall hatten seine Freunde mehr Westgeld.«
Jörn Boewe, in: ... das war doch nicht unsere Alternative: DDR-Oppositionelle zehn Jahre nach der Wende, hrsg. von Bernd Gehrke und Wolfgang Rüddenklau, Verlag Westfälisches Dampfboot, Münster 1999
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18. Februar 2012
Hasta nuevo aviso
Ich stand kurz nach vier auf, nahm
meinen gepackten Rucksack (Landkarte, Paß, Kameras, Notizbuch) und
schlich mich aus dem Hotelzimmer. Ich ging am Revolutionsmuseum mit
dem Granma-Memorial und der ewigen Flamme vorbei, marschierte die calle
Aguacate nach rechts bis zur Obispo hinunter, dann nach links am
Hotel Ambos Mundos vorbei bis zur Avenida del Puerto. Dann wieder nach
rechts, vorbei am alten Zollgebäude und der Hafenmeisterei, weiter
zum Fähranleger.
Fährstation La Habana Vieja |
Wenn der öffentliche Nahverkehr in Havanna zum Erliegen kommt - die Fähren nach La Regla und Casa blanca am Ostufer der Bahía de la Habana fahren immer noch. Es gibt strenge Sicherheitskontrollen, aber zwischen fünf und halb sechs sind sie noch nicht übertrieben streng. Es gab in der Vergangenheit Versuche, eine Fähre nach Miami zu entführen, was, wenn es geklappt hätte, eine abenteuerliche und langwierige Reise geworden wäre. Seitdem darf man keine Handfeuer- und blanken Waffen, Glasflaschen und Laptops mitführen. Das mit den Laptops habe ich nicht verstanden, denn soweit ich erkennen konnte, haben die alten Dieselbarkassen keinen USB-Anschluß.
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16. Februar 2012
Miquis, Repas, Guapos
Der Kampf um die Identität ist das große Thema von Kubas linken Intellektuellen
Von Jörn Boewe, Havanna, junge Welt, 16. Feb. 2012
An die hundert Leute haben sich am letzten Samstag abend in einen kleinen Saal in der früheren Kommandantur Che Guevaras in Havanna gequetscht. Enrique Ubieta Gómez, Herausgeber der populären Kulturzeitschrift La Calle del Medio und zweifellos einer der agilsten politischen Intellektuellen des Landes, stellt sein neues Buch vor.
Der Titel irritiert zunächst: »Kuba: Revolution oder Reform?« Plan oder Markt, Staat oder Privat, Demokratie oder Diktatur – all das wäre auf den ersten Blick näherliegend. Aber Ubieta setzt Themen, und als mit allen Wassern des Postmodernismus gewaschener Kulturwissenschaftler kriegt er jedesmal die Kurve, egal, aus welcher Einflugschneise er zu seinen intellektuellen Loopings ansetzt.
Von Jörn Boewe, Havanna, junge Welt, 16. Feb. 2012
An die hundert Leute haben sich am letzten Samstag abend in einen kleinen Saal in der früheren Kommandantur Che Guevaras in Havanna gequetscht. Enrique Ubieta Gómez, Herausgeber der populären Kulturzeitschrift La Calle del Medio und zweifellos einer der agilsten politischen Intellektuellen des Landes, stellt sein neues Buch vor.
Depósito de cerveza fría, La Habana Luyano |
Der Titel irritiert zunächst: »Kuba: Revolution oder Reform?« Plan oder Markt, Staat oder Privat, Demokratie oder Diktatur – all das wäre auf den ersten Blick näherliegend. Aber Ubieta setzt Themen, und als mit allen Wassern des Postmodernismus gewaschener Kulturwissenschaftler kriegt er jedesmal die Kurve, egal, aus welcher Einflugschneise er zu seinen intellektuellen Loopings ansetzt.
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Der freundliche Polizist
Ich ging die Landstraße von der Cabaña-Festung Richtung Casablanca.
Es war abends, die Buchmesse schloß langsam ihre Tore. Ich wollte die
Fähre über die Bucht von Havanna nehmen. Mir sind Boote lieber als Busse
oder Taxis, und die Seeluft über der Lagune schmeckt bessert als die
Abgase im Tunnel, der die Hafeneinfahrt unterquert.
Ich kam an eine Kreuzung und war mir nicht ganz sicher, wo ich lang mußte. Aber weil gerade Buchmesse war, stand heute an dieser ruhigen Kreuzung ein Polizist neben seinem Motorrad.
La Bahía de la Habana, Blick vom Ostufer des Einfahrtskanals |
Ich kam an eine Kreuzung und war mir nicht ganz sicher, wo ich lang mußte. Aber weil gerade Buchmesse war, stand heute an dieser ruhigen Kreuzung ein Polizist neben seinem Motorrad.
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13. Februar 2012
Harte Währung macht mich mürbe
Ich bin viel zu Fuß und mit dem Bus unterwegs in dieser pulsierenden
karibischen Metropole. Obwohl mein Spanisch etwas eingerostet ist und
die Kubaner kein Español, sondern Cubañol sprechen, komme ich schnell
mit unterschiedlichsten Leuten ins Gespräch.
Allerdings ist es ausgesprochen frustrierend, daß praktisch jede persönliche Unterhaltung in Havanna über kurz oder lang auf eines hinausläuft. Nein, nicht erotische Dienstleistungen, obwohl das auch ein omnipräsentes Thema ist. Generell entwickelt sich nahezu jede Unterhaltung, die in einer alltäglichen Situation beginnt, auf einen Punkt hinzu, an dem dein kubanischer Gesprächspartner an ein paar konvertible Pesos herankommen will.
Allerdings ist es ausgesprochen frustrierend, daß praktisch jede persönliche Unterhaltung in Havanna über kurz oder lang auf eines hinausläuft. Nein, nicht erotische Dienstleistungen, obwohl das auch ein omnipräsentes Thema ist. Generell entwickelt sich nahezu jede Unterhaltung, die in einer alltäglichen Situation beginnt, auf einen Punkt hinzu, an dem dein kubanischer Gesprächspartner an ein paar konvertible Pesos herankommen will.
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12. Februar 2012
Unmögliches versuchen
Kubas KP sieht Mentalitätswandel in den eigenen Reihen als
notwendig für das Überleben der Revolution an. Ein Besuch im
Zentralkomitee der PCC
Von Jörn Boewe, Havanna, junge Welt, 14. Feb. 2012
Das Zentralkomitee der Kommunistischen Partei Kubas hat seinen Sitz in einem militärischen Sperrgebiet am Rande der Plaza de la Revolución im Zentrum der Hauptstadt Havanna. Da wir eine Einladung des Sekretärs der Internationalen Abteilung, Noel Carrillo Alfonso, haben, ist es uns möglich, das Gebäude zu betreten, aber fotografieren dürfen wir nicht.
Dürften wir, würde man auf den Bildern eine Art Bunker der imposanteren Art sehen, der sehr realsozialistisch anmutet, obwohl er es gar nicht ist. Das Gebäude wurde bereits unter der Batista-Diktatur errichtet. Überhaupt scheinen hier viele Dinge auf den ersten Blick anders, als sie sind. Will man zu ihrem Grund durchdringen, kostet es ein bißchen Zeit, Empathie und Suerte, wie man hier sagt, was soviel wie Glück bedeutet, aber nicht jenes Glück, das einem zufällt (das heißt Fortuna), sondern jenes, für das man sich anstrengen muß und ein bißchen Geschicklichkeit braucht.
Von Jörn Boewe, Havanna, junge Welt, 14. Feb. 2012
Das Zentralkomitee der Kommunistischen Partei Kubas hat seinen Sitz in einem militärischen Sperrgebiet am Rande der Plaza de la Revolución im Zentrum der Hauptstadt Havanna. Da wir eine Einladung des Sekretärs der Internationalen Abteilung, Noel Carrillo Alfonso, haben, ist es uns möglich, das Gebäude zu betreten, aber fotografieren dürfen wir nicht.
Dürften wir, würde man auf den Bildern eine Art Bunker der imposanteren Art sehen, der sehr realsozialistisch anmutet, obwohl er es gar nicht ist. Das Gebäude wurde bereits unter der Batista-Diktatur errichtet. Überhaupt scheinen hier viele Dinge auf den ersten Blick anders, als sie sind. Will man zu ihrem Grund durchdringen, kostet es ein bißchen Zeit, Empathie und Suerte, wie man hier sagt, was soviel wie Glück bedeutet, aber nicht jenes Glück, das einem zufällt (das heißt Fortuna), sondern jenes, für das man sich anstrengen muß und ein bißchen Geschicklichkeit braucht.
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